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Nicole Friedrich Gasse am alten Rathaus Werne

Lernort Historische Stadt: Raum für Wissen! Raum für Zukunft?

11.11.2015
Tagungsbericht "Lernort Historische Stadt: Raum für Wissen! Raum für Zukunft?" – 04. November 2015, Steinfurt

Historische Stadt- und Ortskerne sind wichtige ganzheitliche Lernorte. Als Standorte für Schule, Weiterbildung, kulturelles Erbe und geschichtliche Bildung bieten sie Raum für lebenslanges Lernen. 70 Stadtplaner, Architekten, Denkmalpfleger und Stadtverantwortliche tagten zum Thema „Lernort ‚Historische Stadt': Raum für Wissen! Raum für Zukunft?" in Steinfurt. Deutlich wurde, dass Bildungswesen und Lernkonzepte sich massiv verändern und neue Lernformen auch neue Anforderungen an Schulgebäude stellen. Doch gerade in historisch geprägten Quartieren müssen Umbau- und Sanierungsmaßnahmen mit den Anforderungen des Denkmalschutzes in Einklang gebracht werden. Neben den Schulgebäuden rücken auch die Stadtquartiere als Sozial- und Bildungsräume in den Mittelpunkt - für alle Altersgruppen. Bildung ist ein zentraler Faktor der zukunftsorientierten Stadtentwicklung, wichtiger Faktor für Chancen und Teilhabe und ausschlaggebend für Standortentscheidungen von Unternehmen und jungen Familien. Das Thema wurde von den Referenten zum Teil auch unter den aktuellen Aspekten im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise als Chance zu Teilhabe und Integration bewertet.

Lern- und Schulkultur im radikalen Wandel
Christian Hausner stellte in seinem Einführungsvortrag die Lern- und Schulkultur der mehrfach ausgezeichneten Evangelischen Schule Berlin Zentrum vor. Die Schule arbeitet seit ihrer Gründung im Jahr 2007 mit der Überzeugung, dass Lernen im lokalen und globalen Umfeld stattfindet. Die Schule ist das Basislager für Wissensaustausch, für das Erlernen demokratischer Kompetenzen und Werkzeuge, um die Welt zu gestalten. Mit unterschiedlichsten Lernsettings wie den Projekten „Herausforderung" und „Verantwortung" lernen die SchülerInnen Verantwortung für die lokale Gemeinschaft zu übernehmen und beschäftigen sich im Unterricht mit globalen Themen auf lokaler Ebene. Die Stadt, die Kommune und das Umfeld der Schule spielt dabei eine immer größere Rolle als konkreter Bezugsort und praxiswirksamer Bildungspartner.

Historische Stadt- und Ortskerne: Bildungseinrichtungen mittendrin
Für ein erweitertes Bildungsverständnis und eine sozialräumliche Betrachtung bei der Konzeption, Neu-ausrichtung und Entwicklung von Schulstandorten und Bildungslandschaften plädierte auch Thomas Gräbel vom STUDIO URBANE LANDSCHAFTEN, Hamburg. In Kooperationsprojekten mit der Montags- und der Wüstenrotstiftung hat das Büro in den vergangenen Jahren Lern- und Bildungslandschaften erforscht. Je nach regionalem Standort (Stadt / Land) bestehen für Kinder und Jugendliche unterschiedliche Möglichkeiten der Teilhabe, Selbstwirksamkeit und Raumaneignung. Um sich die Perspektive der individuellen Bildungslandschaft zu erschließen, bedürfe es besonderer Formate der Kinder- und Jugendbeteiligung.

Am Beispiel der Stadt Siegen wurde deutlich, dass die Ansiedlung von Einrichtungen der Wissenschaft und Forschung wesentliche wechselseitige Entwicklungsimpulse ermöglichen. Unter erheblichem Erweiterungsdruck stehend, hatte die Universität bereits in den 90er Jahren Interesse an dem zentralen Standort ‚Unteres Schloss' bekundet. Der Umbau des Unteren Schlosses wurde im Rahmen des Hochschul-Modernisierungs-Programmes des Landes möglich. Zugleich legte die Stadt Siegen im Rahmen der Re-gionale 2013 das Projekt „Siegen - Zu Neuen Ufern" auf und bezog das Untere Schloss ein. Die neue Nutzung durch die Fakultät für Wirtschaftswissenschaften trägt nun maßgeblich dazu bei, die Siegener Oberstadt neu zu stabilisieren und weiterhin zu  qualifizieren.

Historische Stadt- und Ortskerne: Lernen, Wissen, Erinnern für alle von 0-99
Möglichkeiten, die historische Stadt als Lernort, als Ort der Kommunikation und ganzheitlichen Erfahrung zu vermitteln, thematisierte Prof. Heinz-Dieter Heimann in seinem Vortrag. Er unterstrich in seinem Vortrag die „Historische Stadt" als Anliegen historischer Bildung und eine dazu intensivierte Kooperation zwischen der Stadt und Universitäten, um den Lernort, die Schulen und die Öffentlichkeit stärker noch darin zu integrieren. Über die Bedeutung der historischen Stadt im Schulunterricht und die Chancen au-ßerschulischer Lernorte hinaus stellte er auch die Frage: „Wem gehört die Stadt?".

Als Orte des Wissens und der Erinnerung spielen Museen seit jeher tragende Rollen. Doch Museen verändern sich, sie präsentieren interaktive und multimediale Ausstellungskonzepte. Das historische Museum Frankfurt erweitert diese interaktiven Ansätze und bezieht Bürger aktiv in die thematische Ideenfindung und Ausgestaltung seiner Ausstellungen ein. Damit wird das Ziel verfolgt, das Museum stärker in der Stadtgesellschaft zu verankern und ein für möglichst viele Bürger/innen und Besucher/innen der Stadt interessantes, v.a. aber auch relevantes Museum zu sein. Die dabei entstehenden Berührungspunkte zwischen den Lebenswelten der Bürger und der Institution Museum sind nach Ansicht Gessers für beide Seiten Basis wertvoller Lernprozesse.

Eine ähnliche Ausrichtung verfolgt das Programm „denkmal aktiv" der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. Das Programm bietet einen Rahmen für schulische Projekte, die zu den unterschiedlichsten Themen der Stadtgeschichte forschen und arbeiten. Dr. Susanne Braun stellte heraus, dass die Herangehensweisen sind dabei ebenso unterschiedlich wie die Schulformen, Altersstufen der Schüler und Ergebnisse der Projekte. Durch die Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern leisten Programm und Projekte nicht nur einen Beitrag um die Stadt als außerschulischen Lernort zu nutzen, sondern stellen zugleich die Verbindung von  theoretischem Unterrichtswissen und praxisbezogenem Lernen dar.

1A-Lage für Bildung und Kultur: Historische Stadt- und Ortskerne in NRW
Die konkreten Vorzüge und Schwierigkeiten einer Schule im Ortskern einer historischen Kleinstadt wurde anhand der Schulstadt Bad Münstereifel thematisiert. Der langjährige Schulleiter Paul Georg Neft schildete die vielfältigen Handlungsfelder und Konfliktpunkte: Denkmalschutz gegenüber modernen Ansprüchen an eine "gute Schule", Schulleben im Gegensatz zu Kleinstadtleben und City-Outlet, Schülertransport in einem engen Stadtmauerring, Probleme mit Pausen, Parkplätzen und Barrierefreiheit.

In der ältesten Hochschule Westfalen, der Hohen Schule Steinfurt, ist heute das KulturForumSteinfurt ansässig, ein Verbund von Volkshoch- und Musikschule. Direktorin Barbara Herrmann stellte die Hohe Schule als zentraler Anlaufpunkt für Bildung und Musik in der Innenstadt dar. Damit nimmt das Haus heute einen entscheidenden Einfluss auf die Belebung der Innenstadt.

Das Hexenbürgermeisterhaus der Stadt Lemgo wird durch seine heutige Nutzung als Stadtmuseum als eines der wichtigsten bürgerlichen Zeugnisse der Lemgoer Baugeschichte wahrgenommen. Das Beispiel zeigt, dass Stadtgeschichte hervorragend in Baudenkmälern gezeigt und vor allem auch erlebt werden kann. Die öffentliche Nutzung ermöglichte laut Markus Baier, Geschäftsbereichsleiter Stadtplanung und Bauen der Alten Hansestadt Lemgo einen besonders sensiblen Umgang mit dem Gebäude.

Die Tagung wurde genutzt, den historisch geprägten Teil der Stadt Steinfurt - Burgsteinfurt - sowie das Schloss und dessen architektonische Weiterentwicklung zu besichtigen. Steinfurt war als Standort der ersten Hochschule Westfalens, der Hohen Schule, ein idealer Tagungsort. Ein kurzer musikalischer Bei-trag machte die Steinfurter Konzertgalerie Bagno als Ort für Kultur und Kunst erlebbar.


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